
Felicitas Erb
Die Winterreise - Workshop

Das romantische Kunstlied: Ein unbekanntes Terrain für Jugendliche
Das romantische Kunstlied ist vielen Menschen, insbesondere Jugendlichen, heute fremd oder gänzlich unbekannt. Diese einst populäre Gattung hat sich zu einem kleinen Nischenprodukt entwickelt. Vielen erscheint das Kunstlied artifiziell, und vor allem die klassische Gesangstechnik stößt bei vielen auf Vorbehalte. Dabei behandeln die Texte – besonders jene der Winterreise – zeitlose Themen, die gerade in der Adoleszenz relevant sind. Auch die Musik transportiert Emotionen, die universell nachvollziehbar sind.
Der Workshop: Neue Zugänge zur Winterreise
Um Jugendlichen einen Zugang zu dieser Musik zu ermöglichen, entwickelte ich gemeinsam mit der Lehrperson Christine Grossenbacher ein Workshop-Konzept. Dieses wurde im Februar 2017 und 2018 mit zwei 9. Klassen der Sekundarstufe an der Schule Münchenbuchsee durchgeführt.
Der Workshop zielte darauf ab, bestehende Wahrnehmungen und Wertungen zu hinterfragen und den Schülerinnen und Schülern einen individuellen Zugang zur Musik zu eröffnen. Im Laufe des Projekts entdeckten die Teilnehmenden Parallelen zwischen den Themen der Winterreise und ihrer eigenen Lebenswelt. Die anfängliche Distanz zur Musik konnte schrittweise überwunden werden, sodass sie sich den Liedern auf neue Weise annäherten.
Praktische Inhalte und künstlerische Umsetzung
Gemeinsam studierten wir ein Stück aus der Winterreise ein und gaben Einblicke in die klassische Gesangstechnik. Neben der musikalischen Auseinandersetzung gestalteten die Schülerinnen und Schüler auch eigene Musikvideos zu ausgewählten Liedern der Winterreise. Die kreative Arbeit ermöglichte es ihnen, die Musik in ihrer eigenen Sprache und Ästhetik zu interpretieren.
Höhepunkt: Die Abschlusspräsentation
Den Abschluss des Workshops bildete eine Präsentation vor Mitschülerinnen und Mitschülern. Hierbei führten die Jugendlichen nicht nur ihre Musikvideos vor, sondern präsentierten auch den Leiermann aus der Winterreise. Die gelungene Kombination aus klassischer Stimmbildung und moderner Interpretation sorgte für Begeisterung im Publikum.
Wiederholung und Weiterentwicklung des Projekts
Der Erfolg des ersten Workshops und die positiven Rückmeldungen bestärkten uns darin, das Projekt im Frühjahr 2018 erneut durchzuführen. Um den partizipativen Ansatz weiter auszubauen, integrierten wir die App „Borderlands“, mit der wir bereits beim Zauberflöte-Projekt an der Primarschule Münchenbuchsee gute Erfahrungen gemacht hatten.
Zusätzlich gewannen wir den Medienkünstler, Komponisten und Musikvermittler Tobias Reber für die Mitarbeit. Diese Zusammenarbeit ermöglichte es den Schülerinnen und Schülern, aus Fragmenten der Winterreise-Lieder sowie selbst aufgenommenen Alltagsgeräuschen beeindruckende Eigenkompositionen zu schaffen.
Fazit: Verbindung von Tradition und moderner Kreativität
Das Workshop-Projekt zur Winterreise schuf eine Brücke zwischen traditioneller Musik und moderner Klangästhetik. Durch die Kombination aus klassischer Stimmbildung, kreativen Eigenkompositionen und innovativen Technologien wie der App „Borderlands“ gelang es, die anfängliche Fremdheit gegenüber dem romantischen Kunstlied zu überwinden. Die Jugendlichen gewannen neue Perspektiven auf die Musik und entdeckten deren emotionale Tiefe auf ihre eigene Weise.